Tod in der Ägäis: Ein syrischer Flüchtling zeigt Bilder
von Familienangehörigen, die bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland
ums Leben kamen. Im dazugehörigenUNHCR-Video auf
Youtube berichten Flüchtlinge von einer Zurückweisung auf See.
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Nach der Veröffentlichung eines
PRO ASYL-Berichts über systematische völkerrechtswidrige Push-Back-Operationen
an der griechischen EU-Außengrenze stehen Griechenland, Frontex und die EU
international in der Kritik. Frontex gerät mehr und mehr unter Druck, den
Einsatz an den griechischen Grenzen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen an
der Land- und Seegrenze abzubrechen.
Monatelang kursierten Gerüchte, dass Flüchtlinge, die größtenteils aus
Syrien stammen, an der griechischen Landgrenze von maskierten Sonderkommandos
misshandelt und völkerrechtswidrig zurückgewiesen werden. Der PRO ASYL-Bericht
„Pushed Back“ hat diese Praxis anhand zahlreicher Zeugenaussagen von
Betroffenen belegen können und zeigt, dass die illegalen Push-Backs der
Sonderkommandos systematisch geschehen. So werden etwa auf griechischen Inseln
landende Flüchtlinge von solchen Sonderkommandos meist unter massivem
Gewalteinsatz in türkische Gewässer zurückgebracht und dort in oft
seeuntauglichen Booten mitten auf dem Meer ausgesetzt. Der Bericht hat
international zahlreiche Reaktionen hervorgerufen.
UNHCR äußerte in einem Statement, die Zahl und das Ausmaß
der mutmaßlichen Ereignisse seien besorgniserregend. Ein Teil der im Bericht
genannten Methoden gleiche Aussagen über Push-Back-Operationen, die dem UNHCR
vorlägen. „2013 hat UNHCR über Zeugenaussagen von Flüchtlingen etliche Angaben
über solche Push-Backs an Land- und zunehmend auch Seegrenzen erhalten“,
bestätigte UNHCR.
Das Flüchtlingshilfswerk der vereinten Nationen betonte, dass Menschen auf
der Suche nach Schutz das Recht haben, dass ihnen Zugang zu EU-Territorium
gestattet werde. Sofern es Praktiken gebe, die dies verhindern und dabei das
Leben von Flüchtlingen gefährden, müssten diese sofort gestoppt werden. Die
Vorwürfe der Misshandlungen von Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Griechenland
sowie die Berichte über Praktiken, die die Betroffenen Lebensgefahr aussetzen,
müssten von den griechischen Behörden sofort aufgeklärt werden. UNHCR werde die
zuständigen Behörden mit den vorliegenden Informationen konfrontieren. Die
griechischen Behörden hatten gegenüber dem UNHCR behauptet, solche
Push-Back-Operationen fänden nicht statt.
Wie dringend die
Aufklärung dieser schweren Menschenrechtsverletzungen ist, dokumentiert unter
anderem eine Nachricht des UNHCR, dass vorgestern im
Evros-Gebiet rund 150 syrische Flüchtlinge – darunter zahlreiche Familien mit
Kindern – nach der Überquerung des Evros-Grenzflusses in Polizeigewahrsam
genommen wurden. Als ein Team des UNHCR die Betroffenen aufsuchen wollte, waren
diese bereits verschwunden – Augenzeugen schilderten, dass die Flüchtlinge
zuvor in Polizeifahrzeuge gebracht wurden. Wohin die Flüchtlinge gefahren
wurden, konnte das UNHCR trotz mehrmaliger Anfragen bei den Polizeibehörden
nicht herausfinden, auch bei den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Region
tauchten die Betroffenen nicht auf. Die Meldung des UNHCR legt nahe, dass die
Flüchtlinge Opfer illegaler Push-Backs geworden sein könnten.
Anfrage an die
EU-Kommission aus dem Europa-Parlament
In Folge des PRO
ASYL-Berichts richtet die Abgeordnete Franziska Keller
(Grüne) eineAnfrage zur schriftlichen
Beantwortung an die Kommission, die der europäischen Dimension der dokumentierten
Menschenrechtsverletzungen nachgeht. Sie betont darin, dass fast alle der im
Bericht dokumentierten Push-Back-Operationen im Einsatzgebiet der europäischen
Grenzschutzagentur Frontex liegen, die eng mit der griechischen Grenzpolizei
kooperiert. Frontex ist laut der Frontex-Verordnung dazu verpflichtet, Einsätze
abzubrechen, wenn es im Einsatzgebiet zu Menschenrechtsverletzungen kommt. „Ist
die Kommission der Ansicht, dass Frontex die Operation an der
griechisch-türkischen Grenze und in der Ägäis beenden sollte?“, heißt es dazu
in der Anfrage, in die Kommission auch mit der Frage konfrontiert wird, was sie
unternehme, „um zu verhindern, dass Griechenland Menschen‐ und
Flüchtlingsrechte offenbar systematisch verletzt“ und wie sie kontrolliere,
„dass dafür keine EU-Mittel, etwa aus dem Außengrenzenfonds, verwendet“ würden.
Die Antwort der Kommission steht noch aus.
Verantwortung von
Frontex: Europäische Ombudsfrau fordert Beschwerdemechanismus
Die Europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly, die Beschwerden über Missstände in
EU–Institutionen untersucht, hat heute Frontex aufgefordert, einen
Beschwerde-Mechanismus über die Verletzung von Grundrechten einzurichten. "Vor
dem Hintergrund der Lampedusa-Tragödie und anderen humanitären Katastrophen an
EU-Grenzen in jüngster Zeit ist es von größter Wichtigkeit, dass Frontex direkt
Beschwerden von Einwanderern und anderen betroffenen Personen behandeln kann“,
so O’Reilly. O’reilly weist darauf hin, dass
zivilgesellschaftliche Organisationen und die Parlamentarische Versammlung des
Europarates immer wieder Zweifel
daran geäußert haben, ob sich Frontex an die Grundrechte halte. Als Beispiel
wurde auf den Einsatz von Grenzschutz-Teams durch Frontex in Griechenland
verwiesen. „Ich kann die Ansicht von Frontex nicht teilen, dass
Menschrechtsverletzungen ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen
Mitgliedstaaten liegen," reagierte O’Reilly auf die übliche Strategie der
Agentur, die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen stets auf die
beteiligten Mitgliedstaaten abzuwälzen.
Aufgrund der Häufigkeit und Schwere der Menschenrechtsverletzungen in
Griechenland fordert PRO ASYL, dass Frontex seine Operationen in
Griechenland beenden muss. Die EU muss vor dem Hintergrund dieser schweren
Menschenrechtsverletzungen dringend die Finanzhilfen für griechische
Grenzschutzmaßnahmen überprüfen. Die völkerrechtswidrigen Praktiken der
Zurückweisung und Misshandlungen von Schutzsuchenden müssen unverzüglich
beendet werden.
PROASYL
15/11/2013